Sogar in der Volksrepublik China werden jetzt die Bürgerinnen und Bürger an der Vorbereitung politischer Entscheidungen beteiligt. Dabei wird die Zufallsauswahl genutzt. Das Verfahren ähnelt in einigen Punkten dem Bürgergutachten (Planungszelle):

  • reine Zufallsauswahl der Teilnehmer
  • externe Moderation und Organisation (wissenschaftlicher Art)
  • gemeinsame Diskussion eines vorgegebenen Themas

Unterschiede zum Bürgergutachten scheinen zu sein, dass die Bürgerinnen und Bürger nur einen Tag an der Sache arbeiten, dass die Ergebnisse nicht veröffentlicht werden; nicht bekannt ist, ob sie eine Aufwandsentschädigung erhalten. Auch das Moderationsverfahren ist uns noch nicht bekannt.

Gerade für Länder mit wenig ausgeprägter demokratischer Kultur sind Bürgerbeteiligungsverfahren ein guter Einstieg. Teilnehmer, Politik und Verwaltung können auf diese Weise ohne Konfrontation, sachorientiert und mit Bedacht zusammenarbeiten und demokratische Kultur einüben.

Die ARD berichtete am 11. Oktober 2009 darüber:http://www.daserste.de/weltspiegel/beitrag_dyn~uid,3dckau24ioex33qf~cm.asp.
(Dort ist auch ein Video zu sehen.)

Hier der betreffende Teil des Beitrags:

Demokratieexperimente

Allem Säbelrasseln zum Trotz: Die mit eiserner Faust regierenden Kommunisten ahnen offenbar, dass sie eine moderne Industriegesellschaft so auf Dauer nicht regieren können. Denn hinter den martialischen Kulissen lässt die Führung bereits ausloten, wie sie die Macht künftig effizienter verteilen kann – freilich ohne sie aus der Hand zu geben.

Einer, der genau das herausfinden soll, ist Bao Ganghe. Der Chinese lehrt Politik in Australien, einmal im Jahr fliegt er an die chinesische Ostküste. Dort, in der Industriestadt Zeguo, leitet er ein politisches Experiment im Auftrag der chinesischen Regierung. Das Ziel: Die Bürger an politischen Entscheidungen zu beteiligen, um spätere Konflikte zu vermeiden.

Professor Bao Ganghe:
"Wir testen in dieser Stadt ein Verfahren, für das wir 200 Einwohner nach reinem Zufallsprinzip ausgewählt haben, so dass sie als repräsentativ für die Bevölkerung Zeguos gelten können. Diese Leute werden heute den Finanzetat der Stadt für das kommende Jahr diskutieren."

Eine bunte Gesellschaft, mit der Chinas Kommunisten in Zeguo ein Stück Macht teilen wollen: Arme und Reiche, Junge, Alte, Hochgebildete und Analphabeten. Sie sollen heute mitentscheiden, wofür die Regierung Geld ausgibt. Der Haushaltsentwurf liegt allen vor und wird noch mal ausführlich erläutert.

Zeguo probt Partizipation

Gruppenarbeit. Jeweils 20 Teilnehmer beraten den Etat, bringen Änderungswünsche vor. Warum die Renten in der Stadt denn höher seien als auf dem Land, will dieser Bauer wissen. So viel Transparenz, so viel Bürgernähe haben sie bisher nie gekannt. Und diskutieren begeistert mit:
"Sie haben uns gesagt, dass ist Demokratie. Aber entscheiden tun am Ende doch
die da oben. Noch weiß ich also nicht, ob sie unsere Ansichten berücksichtigen werden. Mal sehen!"

Wer meint, Chinas Bürger seien noch nicht reif für politische Teilhabe, wird hier schnell eines besseren belehrt. Gleich nebenan wird über eine neue Straßenführung diskutiert. Professor Bao kennt natürlich auch die Grenzen: Alles ist erlaubt, solange es unter Führung der kommunistischen Partei stattfindet. Freie Wahlen etwa bleiben tabu.

Bao Ganghe, Professor:
"Die Regierung will auf diese Weise Konflikte entschärfen, die durch die unterschiedlichen Interessen der Bürger in einer modernen Gesellschaft zwangsläufig entstehen. Wir nennen dieses Verfahren "administrative Demokratie". Ähnliche Experimente werden auch in anderen Städten durchgeführt."

Der für China erstaunliche Tag in Zeguo geht zu Ende. Doch die Hoffnung, die diese Bürger mit nach Hause nehmen, hat sich anderswo noch nicht erfüllt. Zeguo bleibt ein Laborversuch, bis heute.