An einem Treffen in Alt St. Johann im Toggenburg haben sich etliche Bürgergutachter über die Ergebnisse des Europäischen Bürgergutachtens zur Zukunft der ländlichen Räume informiert. Zum ersten Mal haben sich die nach Brüssel entsandten Delegierten mit den »daheimgebliebenen« Bürgergutachtern getroffen.

Hilmar Sturm von der gfb begrüsste die Bürgergutachter als die Hauptpersonen des Projekts und des Abends. Die gedruckten Broschüren mit dem europäischen Bürgergutachten wurden verteilt (nicht anwesende Mitwirkende erhalten sie persönlich oder per Post zugestellt). Auf einer eingelegten DVD finden sich alle regionalen Bürgergutachten, alle Ergebnisse des europäischen Bürgerforums, eine Vergleichsstudie über die regionalen Ergebnisse, Daten über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Berichte über die externe Evaluation und einige Videos von der Arbeit und der Ergebnispräsentation.

An Ergebnissen, so Hilmar Sturm, hat das Gesamtprojekt bei einem Kostenaufwand von ca. 1,6 Mio. Euro (ca. 2,6 Mio SFr.) eine grosse Fülle vorzuweisen:

  • 8 regionale Bürgergutachten (davon 2 grenzüberschreitende, also sind insgesamt 10 Regionen Europas beteiligt)
  • eine Querschnittsanalyse dieser regionalen Bürgergutachten
  • Ergebnisse des europäischen Bürgerforums:
    – die Auswahl der wichtigsten Themen für die Gestaltung der ländlichen Räume der Zukunft
    –  eine Sammlung von Sorgen und Anliegen
    –  Empfehlungen (Massnahmen) für regionale und europäische Politik für den ländlichen Raum
  • Ein neues und zugleich schon bewährtes Bürgerbeteiligungsverfahren, das inter- und multinational angewandt werden kann, sich für föderale Strukturen eignet und damit auch für Europa:
    – die Konzeptentwicklung und Vorbereitung (Entwicklung eines neuen Verfahrens)
    – Erfahrungen mit einem europäischen Bürgerbeteiligungsverfahren
    – interne und externe Evaluation (Beurteilung) durch Teilnehmer, Mitwirkende und neutrale, wissenschaftliche Beobachter

Am Verfahren haben 337 Bürgerinnen und Bürger jeweils mehrere ganze Tage lang teilgenommen, davon waren 87 zusätzlich in Brüssel beim viertägigen europäischen Bürgerforum.

Auch spezifisch Schweizerisches und St. Gallisches findet sich im europäischen Bürgergutachten, so zum Beispiel schon die schlichte Feststellung, dass Europa grösser ist als die Europäische Union, eine Selbstverständlichkeit, an die aber immer wieder erinnert werden muss. Auf Seite 12 wird ein Teilnehmer aus dem Kanton St. Gallen zitiert: »Der Meinungsaustausch mit der Jugend und der Erfahrungsreichtum der Älteren machen dieses Forum einzigartig«. Und an einigen Stellen haben Bürgergutachter aus anderen Ländern sogar gefordert, dass Schweizerische Vorbilder übernommen werden, zum Beispiel sollen Transit-Güter wie in der Schweiz im kombinierten oder Huckepackverkehr befördert werden.

Auch sonst erschien vielen Bürgergutachtern aus anderen Regionen die Schweiz in Vielem als Vorbild. Die Toggenburger Bürgergutachter bestätigten das. Ihnen selber ist durch die gemeinsame Arbeit mit Menschen aus Irland, Grossbritannien, den Niederlanden, Ungarn, der Slowakei, Frankreich und Deutschland erst bewusst geworden, wie gut es dem ländlichen Raum in der Schweiz bereits geht, zumindest im Vergleich. Das betrifft auch die Demokratie und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger.

Die höchstbepunktete Einzelempfehlung (mit 70 Punkten) des europäischen Bürgerforums betrifft auch die Mitsprache: Bei der Verteilung von EU-Mitteln sollen unabhängige Bürgergruppen mitreden, kontrollieren und Feedback bekommen.

Die europäischen Ergebnisse waren am 2. April 2007 hochrangigen Vertretern der EU und der Regionen vorgestellt worden. Die Bürgergutachter waren allerdings zum grössten Teil enttäuscht von der Reaktion der Politiker und Beamten.

Ueli Strauss, Leiter des Amtes für Raumentwicklung und Geoinformation des Kantons St. Gallen, berichtete den Bürgergutachtern von den Konsequenzen, die das regionale Bürgergutachten in der kantonalen Politik und Verwaltung hat und noch haben soll. Bundesstellen und Bibliotheken fragten immer wieder das Bürgergutachten nach. In einer Regierungsklausur wurde das Bürgergutachten gründlich besprochen. Eine  Initiative «Toggenburg 2008» von Bundesrätin Leuthard und dem Volkswirtschaftsdepartement des Kantons hat zusätzliche Impulse gegeben. Die Ergebnisse werden jetzt abgewartet, bevor dann eine Strategie des Kantons für den ländlichen Raum beschlossen werden kann. Bearbeitet werden vor allem vier Felder: Wohnen/Bauen, Tourismus, Forst- und Landwirtschaft sowie Wissenstransfer. Den in der Initiative «Toggenburg 2008» Aktiven ist das Bürgergutachten bekannt.

Der Bund ist an der Entwicklung eines Raumkonzepts Schweiz, und eine Revision des Raumentwicklungsgesetzes wird auch vorbereitet.

Strauss bestätigte den Eindruck, dass in der EU eine grundsätzlich andere Haltung von Beamten und Politikern den Bürgern gegenüber spürbar ist; sie werden viel weniger wichtig und ernst genommen als in der Schweiz. Diesen Eindruck hatten im Grunde alle Teilnehmer des Brüsseler Forums.

Rita Zwingli, die als Moderatorin, Dokumentarin und Übersetzerin am regionalen und europäischen Bürgergutachten mitgearbeitet hatte, zeigte Fotos von der Arbeit am St. Galler und am europäischen Bürgergutachten, die zu Gesprächen über die Erfahrungen, Ergebnisse und Kontakte anregten.

Weitere Informationen zum europäischen Bürgergutachten zur Zukunft der ländlichen Räume: www.citizenspanel.eu.