»Ist Deutschland eine echte Demokratie?« So eine provokante Frage wird unter anderem auf der Sommerakademie der Organisation attac* in Karlsruhe gestellt. Dr. Hilmar Sturm (gfb) ist als Referent eingeladen worden zu einem Themenschwerpunkt dieser Veranstaltung: die Weiterentwicklung der Demokratie.

Dazu gibt es eine Diskussion am Mittwoch, dem 5. August 2009, von 17 bis 18.30 Uhr, bei der Wolfgang Scheffler zur Frage, ob Deutschland eine echte Demokratie ist, die kritische Seite darstellt, während Dr. Hilmar Sturm von der gfb die Möglichkeiten beleuchtet, die Deutschland heute schon für echte Demokratie bietet:

JA, die wichtigen Dinge entscheidet letztlich das Volk, und es gibt auch für den Einzelnen und für Gruppen auf vielen Kanälen Möglichkeiten mitzumachen und mitzuentscheiden;
NEIN, echte Beteiligung findet nicht statt, Entscheidungen werden nur von wenigen beeinflusst ( Parteiklüngel, Lobbygruppen, Medien, etc. ), die Kriterien nach denen entschieden wird sind undurchsichtig, der Wähler kann gar nicht über alles Bescheid wissen.

Unter dem Titel Demokratie – wie geht es besser? gibt es ein mehrtägiges Seminar. Es bietet fünf Elemente, davon eines speziell zum Verfahren Bürgergutachten. 

Mittwoch, 5. August 2009, 9.30 Uhr:
Partizipation und informierte Entscheidungen durch Bürgergutachten

Teil 1
Erweiterte Demokratie durch Bürgergutachten in Deutschland, Europa und darüber hinaus
Referent: Dr. Hilmar Sturm

In den letzten Jahren das Bedürfnis nach mehr Demokratie gewachsen. Eine vielversprechende Organisationsform ist die sogenannte partizipative oder deliberative (beratschlagende) Demokratie.
Eines der interessantesten Verfahren aus diesem Bereich ist das Bürgergutachten. Dabei werden Menschen im Zufallsverfahren aus der Bevölkerung ausgewählt; sie repräsentieren die ganze Breite der Gesellschaft, jeder hat die gleiche Chance, ausgewählt zu werden. Diese Menschen arbeiten dann mehrere Tage lang gemeinsam an einem Thema. Sie erhalten Informationen von Experten verschiedener Sichtweisen. Mit Zeit, Informationen, intensivem persönlichem Gespräch und Abwägungsprozessen geben die Bürgergutachter/innen dann ihre Empfehlungen ab – in einem Bürgergutachten.
Grundlagen, Anwendung und mögliche Abwandlungen des Verfahrens werden dargestellt. 

Teil 2:
Methode der Bürgergutachten zur Selbstorganisation in sozialen Bewegungen
Referenten: Wolfgang Scheffler und Heike Hoedt

Die Anwendung der Methode Bürgergutachten in sozialen Bewegungen (also intern) bietet spiezielle Anforderungen. Eine effektive soziale Bewegung bedarf der Einbeziehung aller Akteure. Traditionelle Strukturen sind dazu nicht immer förderlich. Die Methode Bürgergutachten bietet die Möglichkeit einer effezienten internen Meinungsbildung. Sie kann zur basis-demokratischen Vorbereitung von Entscheidungen genutzt werden.
Mögliche Adaptationen der Methode in verschiedenen Anwendungen werden Anhand von Beispielen beschrieben.
Motto: »Wenn wir mehr Demokratie wollen, können wir sie selber machen.«

Donnerstag, 6. August 2009, 9.30 Uhr:
Direkte Demokratie für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft

Teil 3:
Das direktdemokratische Gesellschaftsmodell

Stefan Padberg, Mehr Demokratie-Mitglied seit über 11 Jahren, erläutert das Menschen- und Gesellschaftsbild, dass hinter dem Konzept der direkten  demokratie steht. Er zeigt, woran die repräsentative Demokratie scheitern wird, wenn sie sich nicht weiter entwickelt, und warum das neoliberale Gesellschaftsmodell, das oft als freiheitliche Alternative dargestellt wird, sich als eine Sackgasse erweisen wird.

Teil 4:
Die Geldfrage ist die Demokratiefrage

Kurt Wilhelmi vom »Omnibus für direkte Demokratie GmbH« stellt die Frage nach dem Zusammenhang von Geld und Demokratie. Er wird die These entwickeln, daß das Geld bei der Herausbildung der arbeitsteiligen Wirtschaftsweise eine neue Qualität angenommmen hat, daß es heute nicht mehr Wirtschaftswert ist,  sondern Rechtsregulator der Wirtschaftwerte. Er wird versuchen aufzuzeigen, daß es sich bei der Geldfrage um die Demokratiefrage handelt, daß z. B. folgende Fragen demokratisch von uns zu beantworten sind: Nach welchen Gesichtspunkten sollen in Zukunft die Unternehmen und Initiativen mit Geld versorgt, also kreditiert  werden? Wie sind die Einkommen zu bemessen? Welche Kriterien sollen für die Preisgestaltung gelten?

Teil 5:
Direktdemokratische Praxis

Fabian Reidinger von »Mehr Demokratie e. V.«, Landesvorstand Baden-Württemberg, informiert über die Entwicklung von direkter Demokratie auf Gemeinde-und Landesebene. Vor allem wird er dabei mit den Teilnehmern den Nutzen von Bürger- und Volksentscheiden diskutieren und die Frage stellen, ob es nicht auch angebracht wäre, auf Bundesebene die Volksabstimmung einzuführen.

Außerdem organisiert Wolfgang Scheffler täglich von 14 bis 14.45 Uhr eine Beteiligung aller Teilnehmer unter dem Begriff «attac democracy – und alle reden mit», bei der Arbeitsformen aus dem Verfahren Bürgergutachten angewandt werden.

Veranstaltungsort: Karlsruhe (Freie Waldorfschule)

Tagungsbeginn und -ende: Dienstag, 4. August, 19.30 Uhr, bis Sonntag, 9. August, 15 Uhr

* attac hieß ursprünglich «association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens» [Vereinigung für eine Besteuerung der Finanztransaktionen (sog. Tobin Tax) zum Nutzen der Bürger], gegründet 1997, derzeit weltweit ca. 90.000 Mitglieder